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Warum gibt es trotzdem Krieg im Namen der Religionen?

In den Nachrichten wird immer wieder von religiösen Kriegen gesprochen.

Damit sind gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Religionen gemeint. Viele denken beim Wort "Religionskrieg" auch an die Kreuzzüge der Christen im 11. bis 13. Jahrhundert. Friedensforscher und Friedensforscherinnen haben aber herausgefunden, dass Religion fast nie der eigentliche Grund für einen Konflikt ist.

UN Photo/John Isaac

 

Es geht meistens nicht um die religiösen Schriften und Traditionen, sondern um Geld und Macht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine der Gruppen reicher ist als die andere oder wenn es nur begrenzt Zugang zu Wasser oder Öl gibt.

Religion ist bei den Auseinandersetzungen meist nur ein Vorwand. Die meisten Kriege werden also nicht wegen der Religion, sondern wegen politischen Gründen oder aufgrund von Unterschieden zwischen arm und reich geführt.

Welche Rolle spielen Religionen in Konflikten?

Auch wenn Religionen fast nie der eigentliche Grund für den Konflikt sind, spielen sie in einigen Konflikten eine Rolle.

Viele Wissenschaftler sagen, dass diese Rolle zwei Seiten haben kann. Religionen können Konflikte verschärfen, sie können aber auch zu ihrer friedlichen Lösung beitragen.

Manche Machthaber benutzen die Religion dazu, Gewalt zu rechtfertigen. Wenn ein Krieg im Namen der eigenen Religion und des eigenen Glaubens geführt wird, sind manche Menschen eher bereit, Gewalt anzuwenden. Denn sie möchten ihren Glauben schützen. Wenn in den streitenden Gruppen besonders viele Anhänger jeweils einer Religion sind, kann der gemeinsame Glaube die eigene Gruppe stärken. Gleichzeitig kann das aber zur stärkeren Abgrenzung von der anderen Gruppe führen. Das passiert vor allem, wenn die Anhänger der Religionen nicht miteinander sprechen und es Vorurteile gegeneinander gibt.

Religionen können aber auch dabei helfen, dass Konflikte friedlich gelöst werden. Die meisten Religionen haben ein friedliches Zusammenleben der Menschen zum Ziel. Deshalb setzen sich viele Religionsvertreter, religiöse Gruppen und Gläubige für den Frieden ein. Sie initiieren zum Beispiel interreligiöse Dialoge, also dass Menschen unterschiedlicher Religionen miteinander reden.

Religionen können also sowohl Konflikte verschärfen, als auch dem Frieden dienen.

 

Was sind religiöse Fundamentalisten?

Als religiöse Fundamentalisten werden Menschen bezeichnet, die sehr streng nach den Regeln ihrer religiösen Schriften leben. Weil sie ihren Glauben für den einzig richtigen halten, sind sie gegen Menschen, die etwas anderes glauben oder anders leben wollen.

Fundamentalisten gibt es in allen Religionen. Viele christliche Fundamentalisten glauben beispielsweise wortwörtlich an die Schöpfungsgeschichte und lehnen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse ab. Muslimische Fundamentalisten werden auch Islamisten genannt. Sie fordern die genaue Befolgung der Vorschriften des Koran und der islamischen Gesetze.

Es gibt leider auch Fundamentalisten, die ihren Glauben mit Gewalt durchsetzen wollen. Manche religiöse Fundamentalisten rechtfertigen den Einsatz von Gewalt durch ihre religiösen Schriften.

Tatsächlich gibt es darin bei den meisten Religionen Stellen, in denen andere Glaubensgemeinschaften kritisiert und abgelehnt werden. Diese Texte stammen aber aus einer anderen Zeit und sind oft auf eine ganz bestimmte Situation bezogen. Sie sind nur im Zusammenhang der ganzen Schrift zu verstehen.

Wenn religiöse Fundamentalisten mit diesen Stellen Gewalt begründen, widerspricht das den religiösen Schriften und Traditionen. Denn die Schriften haben alle eine Friedensbotschaft und geben Regeln für ein friedliches Zusammenleben.

 

Was kann man verhindern, dass Religion für Gewalt missbraucht wird?

Der Tübinger Friedensforscher Andreas Hasenclever hat untersucht, was Religionsgemeinschaften vor Gewalt schützt. Er hat vier Merkmale für gefunden:

  • Religiöse Bildung: Wenn Religionsangehörige ihre Schriften und Traditionen kennen, können sie sich gegen falsche Deutungen von gewaltbereiten Gruppen wehren.
  • Religiöse Öffentlichkeit: Es muss öffentlich über unterschiedliche Glaubensauffassungen gesprochen werden und nicht nur eine einzige Auslegung der religiösen Schriften und Traditionen erlaubt sein.
  • Religiöses Bewusstsein: Wenn Religionsgemeinschaften den Unterschied zwischen Gott und Mensch anerkennen und ihre Wahrheiten nicht für die einzig richtigen erklären, sind sie weniger anfällig für Gewalt.
  • Religiöse Selbstständigkeit: Wenn Religionsgemeinschaften abhängig vom Staat oder bestimmten Gruppen sind, lassen sie sich besonders gut für Gewalt missbrauchen. Daher ist es wichtig, dass Religionen selbstständig sind und eigene Einrichtungen haben.

(Hasenclever, A. in: Brocker, M./Hildebrandt, M. (Hrsg.): Friedensstiftende Religionen? Wiesbaden 2008. S. 179-201)